Kuopio

Seit Samstagabend hatte ich überlegt, was ich noch sehen oder tun wollte. Einer der Vorteile der südlichen Hälfte Finnlands ist, dass alles etwas dichter besiedelt ist und die Wege nicht zwingend so weit sind, wie in der Nordhälfte Finnlands. Der direkte „Nachteil“ ist daher, dass es insgesamt eben auch touristischer und entsprechend mehr los ist. Vom Standort her habe ich Kuopio, Savonlinna und Mikkeli in einer ähnlichen Entfernung von ca. einer Stunde Fahrzeit.
Da das Wetter in den nächsten Tagen etwas wechselhafter werden sollte, entschied ich mich, zuerst nach Kuopio zu fahren. Abgesehen davon, dass Kuopio sowas wie eine Altstadt hat und eine tolle historische Markthalle, gibt es dort auch einen Aussichtsturm oberhalb des Sportgebietes, von wo aus man einen fantastischen Blick über die Stadt haben soll.

Also machte ich mich nach dem Frühstück auf nach Kuopio. Mein Ziel war das Parkhaus eines Einkaufszentrums, dessen Parkgebühren- trotz dessen, dass es mitten im Stadtzentrum lag – durchaus bezahlbar waren mit einem Euro pro Stunde.
Auf der Fahrt dorthin begegnete mir irgendwann wieder ein Werbeschild mit den Muumins drauf und einer Saisonangabe. Dies war nicht das erste Mal und eigentlich wollte ich längst nachschauen, worum es sich dabei handelte… aber ich kam immer drüber weg und so im Grunde auch jetzt wieder. Ich hatte mir zwar fest vorgenommen, es mir zu merken. Aber bis ich mich knapp 25 Minuten später durch die verwirrenden Ampelanlagen und Baustellen in Kuopio durchgeschlagen hatte, war auch dieser Gedanke längst wieder verschwunden.

Als ich aus dem Kauppakeskus (Einkaufszentrum) Minna heraustrat, kam ich genau auf der richtigen Seite aus dem Gebäude – mein Blick fiel mehr oder weniger direkt auf die Kuopion Tuomiokirkko (Kathedrale/Dom Kuopio). Diese steuerte ich nun als erstes an. Allerdings mit wenig Hoffnung, dass ich viel mehr als das Äußere des Gebäudes zu Gesicht bekommen würde.
Dort angekommen, las ich aber tatsächlich- ÜBERRASCHUNG – dass die Kathedrale geöffnet ist und auch besichtigt werden kann.

Nach ein paar Fotos von außen ging ich direkt zum Seiteneingang (die Haupttüren sind in den seltensten Fällen außerhalb der Gottesdienstzeiten geöffnet) und konnte tatsächlich die Kirche betreten.

Von der Ausstattung war ich persönlich wieder hin und weg.
Die Kirche lebt vorallem von der Bauweise (griechisches Kreuz) und der unaufgeregten „Dekoration“. Weiß dominiert, zeitlose Leuchter mit etwas Gold/Messing, auch die Kanzel und der Altar sind nur sehr dezent vergoldet und auf das wesentliche reduziert. Die Orgel finde ich ebenfalls großartig – sie erinnert mich ein wenig an (Engels)Flügel. Aber den absoluten Knaller fand ich den geschnitzten Lebensbaum, der neben dem Seiteneingang links vom Altar an der Wand und der Decke entlang „wächst“: nicht nur, dass er fantastisch aussieht und in seinen Ästen funkelnde Lichtbrecher beherbergt – er befindet sich mitten in der Kinderspielecke!
Ja, wirklich wahr! Hier gibt es eine Kinderspielecke mit Büchern und Spielfiguren. DAS hat mich nun wirklich beeindruckt.
Dann begann die Organistin mit der Probe und ich blieb noch eine Weile, um zuzuhören und das alles auf mich wirken zu lassen, bevor ich mich wieder auf den Weg machte.

Ich verließ die Kathedrale durch die gleiche Tür und ging diesmal weiter um das Gebäude herum. Auf der anderen Seite erstreckte sich gleich ein wunderschöner Park – der Snellmanpuisto (Snellmanpark). Er war nicht groß, aber wirklich wunderbar angelegt. Eine Büste von Johan Vilhelm Snellmann (1806 – 1881) steht natürlich im Zentrum und direkt gegenüber des Parks ist auch die Snellman Koulu (Grundschule). Wer sich nun fragt, wer Johan Vilhelm Snellman ist – er ist einer DER finnischen Philosophen (auch Journalist und Staatsmann), der maßgeblich dazu beigetragen hat, dass die finnische Sprache Amtssprache wird und gilt als Wegbereiter zur finnischen Unabhängigkeit.

Aus dem Park heraus ging, ich am Naturhistorischen Museum vorbei, wieder zurück in Richtung Kauppatori (Marktplatz). Leider hat das Museum montags geschlossen – andernfalls hätte ich mir wahnsinnig gerne die Fotoausstellung „Wildlife Photographer of the Year“ angesehen. Das Museumsgebäude ist bereits über 100 Jahre alt und wirkt wie eine Burg.
Der Marktplatz selbst ist an zwei Seiten von modernen Einkaufszentren und auf den Stirnseiten von historischen Gebäuden umgeben: eine Sekundarschule und die Stadthalle. Während des Tages findet hier ein reger Markt statt, der mit unterschiedlichen Waren aufwartet.
Die historische Markthalle ist auf der Seite der Sekundarschule und in ihrem sonnig-gelben Gewand absolut nicht zu übersehen. Auf beiden Seiten befinden sich vor den Eingängen je ein Brunnen mit einer Skulptur – die Siskutyttö (wörtlich Schwestermädchen) und der Veljmies (wörtlich Brudermann). Der Veljmies wird jedes Jahr zu Vappu von den Studenten gewaschen und bekommt am Ende ebenfalls eine Studentenmütze aufgesetzt.
Selbstverständlich musste ich auch mal in die Markthalle hineingehen, da hier vornehmlich kleine handwerkliche Geschäfte und Feinkost zu haben sind. Und natürlich habe ich mich direkt beim Eintritt in einen wunderschönen violetten Wollfilzmantel verliebt – ein fantastisch-elfischer Schnitt mit hübschen Blütenranken und Kapuze … aber die Tatsache, dass die Künstlerin und Ladenbetreiberin gerade nicht in ihrem Geschäft war, bewahrte meinen Geldbeutel davor, direkt geleert zu werden.
Ich drehte also meine Runde durch das Gebäude und verließ die Halle auf der gegenüberliegenden Seite. Dort spielte gerade ein Straßenmusiker ein paar nachdenklich-entspannte Songs. Verstanden habe ich die Texte leider nicht, da diese in einer slawischen Sprache waren. Aber die melancholische Melodie und seine Stimme hat da sehr viel Empfindung transportiert.

Nun wollte ich aber weiter zum Puijon Torni (Puijo-Turm) und endlich die Aussicht über die Stadt genießen. Laut Maps war es nicht allzu weit, nur knapp 3 km. Also suchte ich mir eine Route aus und lief los. Da nun aber auch in Finnland der Bauwahn ausgebrochen ist, bewegte ich mich zuerst etwas zu weit westlich von der eigentlichen Route und um auf den richtigen Weg zurückzukümmen, war durch die Baustellen auch nicht gerade einfach. Aber ich habe es geschafft und konnte nun nix mehr falsch machen. Einfach immer geradeaus, am RIISA – dem orthodoxen Kirchenmuseum – vorbei und kurz vor dem Ski-Stadion rechts in den Wald abbiegen und den Berg rauf.
Und da war es wieder… kurz vor dem Ziel war der Weg gesperrt aufgrund einer weiteren irren Baustelle. Hier kam ich also nicht mehr weiter und musste zurück. Das hatte mich ziemlich geärgert und irgendwie war ich mir nicht sicher, ob ich jetzt nochmal den Kilometer zurück zum RIISA laufen wollte und dann nochmal ansetzen sollte von der anderen Seite her. Bis mir natürlich genau jetzt wieder einfiel, dass ich ja noch das Muumin-Rätsel lösen wollte. Also warf ich meine Suchmaschine an – oder eben genauer Maps – und gab ein, an was ich mich erinnerte. Und dann endlich… die Ankündigungen, die ich immer gesehen hatte, war die Anzeige für die Muumi-Jääjuola (Muumin Eishöhle) in Vesileppis! Das waren ungefähr 30 km wieder in meine Richtung nach Rantasalmi von Kuopio aus. Dort wollte ich hin – aber nicht mehr an diesem Tag. Inzwischen war es 14 Uhr und die Eishöhle schloss um 15.30 Uhr. Das machte nun keinen Sinn mehr, aber hat mich nun auch wieder angespornt, doch noch auf den Puijo Torni zu wollen.
Ich lief nun also wieder zurück zum RIISA und bog desmal links ab und kam dann an der Pyhän Pietarin Kappeli (St. Peter Kapelle) vorbei. Dort ging es links durch die Unterführung unter der Autobahn und dann immer geradezu den Berg hinauf.
Der Weg selbst war nicht weit, aber die kontinuierliche Steigung war nicht schlecht. Das Gute ist aber ja immer, wenn man raufgeht, geht´s am Ende auch wieder runter!
Endlich oben angekommen, musste ich erstmal feststellen, dass das Restaurant derzeit leider zu hat. Also ging ich direkt in den Turm, bezahlte mein Aufzugticket und fuhr nach oben. Der Turm selbst ist 75m hoch und mit dem Aufzug kann man bis zum Kahvila (Café) rauffahren. Bis zur obersten Aussichtsplattform muss man nochmal zwei Stockwerke über Treppen nach oben gehen. Aber dann ist die Aussicht wirklich fantastisch! Man hat einen super Blick über das Zentrum von Kuopio und den umgebenden See Kallavesi (Kuopio liegt auf einer Halbinsel im Kallavesi). Selbstverständlich sieht man vorn hier aus auch die Skisprungschanzen und sämtliche Sportplätze (Tennis, Fußball, Bogenschießen, …) unterhalb des Turmes.
Nach einigen Runden ging ich aber hinunter ins Kahvila – einen Tee und ein Stück Kuchen hatte ich mir verdient. Das war preislich auch in Ordnung – zumal ich einen großen Humpen Tee hatte und ein schönes Stück Schoko-Mousse-Torte. Und auch vom Café aus war die Sicht auf die Stadt immernoch fantastisch.
Übringens sitzt man hier recht bequem auf „Hasenohr“-Barhockern (Grace baarituoli #puputpuijolla) der ortsansässigen Künstlerin Emilia Aman.

Bei meinem Aufbruch vom Turm, habe ich entdeckt, dass es in Finnland die Salmi AR App gibt, bei der man sich für verschiedene Wanderrouten passende „Stationspakete“ herunterladen kann und dann an den jeweiligen Punkten besondere Informationen und die passedenden Bilder (per Augumentet Reality) dazu erhält. Wie in einem moderenen Museumsrundgang. Die App scheint aber derzeit noch im Aufbau zu sein – es sind einige Routen vorhanden, sogar eine Kinderroute, bei der eine Geschichte erzählt wird. Derzeit gibt es 55 Stationspakete – aktuell vorallem auf Finnisch und Englisch, einige auf Schwedisch und Russisch, Deutsch, Spanisch, Italienisch, und andere sollen aber wohl noch folgen. (Für die Insel Kaarnetsaari gibt es übrigens auch eine solche App.)
Da der „Kinderpfad“ direkt am Turm entlang führt und mehr oder weniger auf meinem Weg nach unten lag, bin ich hier noch ein Stück entlang gegangen und habe mir die Geschichte der Waldtiere angesehen und -gehört (bzw. vielmehr gelesen, wollte das Handy nicht so laut machen).

Der eigentliche Weg nach unten war natürlich recht einfach. Immer geradezu dem Weg folgen, bis man wieder an der Unterführung und der Pyhän Pietarin Kappeli ist. Von dort bin ich diesmal aber nicht nach rechts gegangen, um dem Weg zu folgen, den ich aus der Stadt gekommen war, sondern nach links. Dieser führte von hier aus direkter ins Zentrum.
Aber – wer hätte es gedacht – auch von hier aus konnte ich nicht den direkten Weg laufen, obwohl es nur noch ein paar 100 Meter zum Kauppatori waren. Die Unterführung der Eisenbahn war, aufgrund einer Baustelle, für Fußgänger und Radfahrer gesperrt. Entweder, man lief eben linksrum den Umweg in die Stadt oder rechtsrum.
Da ich bereits die Straßenseite gewechselt hatte, weil ich dachte, ich könnte auf der linken Seite durch die Unterführung, lief ich den Umweg weiter linksrum. Und kam dann wieder am Kuopio Museo und dem Snellman Puisto raus. Das war für mich natürlich auch in Ordnung, von hier aus kannte ich den Weg zum Kauppakeskus Minna und der Tiefgarage.
Dort angekommen war ich auch noch positiv überrascht, als ich meine Parkgebühr am Automaten bezahlen wollte… Es waren nur 4 €, da die 5. Stunde nicht vollständig verstrichen war (Ja, richtig gelesen… ich stand 4.56 Std. im Parkhaus und habe für die 5. Stunde nicht´s bezahlen müssen!). So freudig irritiert über Parkgebühren war ich bisher selten.
An dieser Stelle muss ich auch sagen, gefühlt sind sämtliche Automaten in Finnland einfacher zu bedienen, als bei uns. Der Parkautomat erklärt dir jeden Schritt – sogar auf Deutsch auf Wunsch – und bei der Ausfahrt wird dir auf einer Anzeigetafel auch nochmal bestätigt, dass du deine Parkgebühren bezahlt hast. In diesem Parkhaus wurde das Kennzeichen erfasst – gibt es bei uns inzwischen auch, aber defintiv keine weitere Bestätigung bei der Ausfahrt, wenn alles in Ordnung ist oder, falls es so wäre, die Parkgebühren nicht beglichen sind. Der Automat hilft dir sogar bei der Vervollständigung deines Kennzeichens beim Bezahlen, um etwaige Tippfehler direkt auszuschließen.

Der Rückweg war wieder recht unspektakulär. Zurück in Järvisydän habe ich nur noch Brotzeit gemacht und mich in den Whirlpool gelegt, bis die Sauna aufgeheizt war. Das hatte aber auch gereicht – an diesem Tag habe ich summasummarum 17 km zu Fuß zurückgelegt…

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