Savonlinna

Heute wollte ich nach Savonlinna – die finnische Opernhauptstadt (wird gerne auch als das „finnische Bayreuth“ bezeichnet). Da die Opernsaison aber bereits vorbei ist und die nächste erst wieder im Juli und August 2024 stattfindet, hatte ich lediglich den Plan, mich vor Ort umzusehen und die Lage auf mehreren Inselchen zwischen den Seen Haukivesi und Pihlajavesi zu genießen. Das Wetter soll wieder ganz wunderbar sonnig und warm werden.
Ich hatte keine Eile, also ging ich erst gemütlich zum Frühstück und fuhr dann am späteren Vormittag los.

Das Parken in Savonlinna ist durchaus zu einem größeren Teil kostenfrei – allerdings haben sehr viele Parkflächen eine maximale Parkdauer von 2 Stunden mit Parkscheibe. Es gibt aber auch vereinzelte Parkflächen, die ohne Zeitbegrenzung und kostenfrei zu nutzen sind. Hier muss man sich ein wenig an den touristischen Highlights orientieren. Da aber die Stadt jetzt auch nicht allzu groß ist, könnte man dennoch auch problemlos umparken, wenn man ein wenig vorplant und sich gebietsweise umschaut. Zumindest ist das außerhalb der Ferienzeiten kein Problem, hier recht einfach einen Parkplatz zu finden. Und so hatte ich auch Glück, noch einen der letzten begehrten zeit- und kostenfreien Parkplätze zu ergattern – ganz in der Nähe der Olavinlinna.

Die Olavinlinna (Olavs Burg) war auch mein vornehmliches und erstes Ziel. Diese kann mit und ohne Führung besichtigt werden. Allerdings darf man nicht alle Räumlichkeiten ohne Führung besuchen. Wer also die ganze Geschichte hören und auch einen der Burgtürme erklimmen will, muss eine Führung (im September in Finnisch und Englisch verfügbar, im Juni/Juli/August auch in Deutsch und Schwedisch möglich) buchen. Diese kostet derzeit für einen Erwachsenen 12€, im Kombiticket mit dem Riihisaari (Savonlinna Museum und Saimaa Naturzentrum) 15€. Das Museum liegt nur 3 Minuten Fußweg von der Burg entfernt – man kommt von der Stadt her direkt vorbei und sieht es auch quasi aus allen Richtungen.
Allerdings hatte ich den Beginn der ersten Führung um 15 Minuten verpasst. Ich hatte also etwas Zeit, zum Flanieren am Ufer, Entspannen im Park und um mir die kleinen Dauerausstellungen und die kostenfreien Teile der Olavinlinna anzusehen, bis die Führung um 15 Uhr begann.
Die Führung selbst dauert ungefähr eine Stunde und ist nur für Leute, die stabil zu Fuß sind. Die Olavinlinna ist zum größten Teil erhalten und nur einige wenige Mauern wurden restauriert und ergänzt. Sie verfügt auch noch über die originalen Treppen in den Türmen. Entsprechend „ungewohnt“ ist es, diese Stufen zu nutzen, da diese einen größeren Abstand zueinander haben, als heute – und durchaus auch glatt und uneben sind… Wer damit aber keine Schwierigkeiten hat, sollte die Führung ruhig buchen, da man einfach eine schöne Zusammenfassung der Ereignisse der Region und die Veränderungen der Burg bekommt und eben auch bei interessanten Aspekten einfach nachfragen kann.
Wie ich es bereits in meinem Bericht zu Tornio geschrieben habe, hat Finnland eine bewegende Vergangenheit zwischen Schweden und Russland hinter sich und so auch die Olavinlinna, die mehrfach Grenzfestung und damit interessant für die Beteiligten war. So wurde auch die Burg immer wieder weiter ausgebaut, um für die jeweiligen Verteidungszwecke dienlich zu sein.
Persönlich gefiel mir auch die Geschichte um den schwarzen Bock ziemlich gut, der eigentlich geschlachtet werden sollte als Opfergabe. Die Burg war derzeit aber gerade belagert und wurde entsprechend Beschossen. Zeitgleich gab es wohl auch noch ein Gewitter und das ganze drumherum erschreckte den Ziegenbock derartig, dass er mit ordentlich Antrieb über die Außenseite des Burgturms in die Burg flüchtete (der Turm hatte damals kein Dach und war auch noch nicht ganz so hoch, wie heute). Durch die Lichtblitze – ob nun vom Gewitter und / oder den Kanonenschüssen – sah das ganze wohl in etwa so aus, als würde der Teufel persönlich in die Burg eindringen (Hörner, Hufe, die Außenwand erklimmen…). Und das hat widerum die Belagerer derart erschreckt, dass sie freiwillig das Weite suchten. Der Bock selbst hatte sich damit zum „Helden“ gemacht und sein eigenes Leben gerettet – man opfert niemanden, dem man sein eigenes Leben zu verdanken hat – und durfte bis zum Ende seiner Tage auf der Burg bleiben. Diese Geschichte soll so wohl ziemlich wahr sein.
Eine andere Geschichte – die vielleicht einen wahren Kern haben könnte, für die es aber keine Belege gibt – ist die Geschichte einer Magd auf der Burg. Diese hatte sich wohl während eines anderen Angriffs in einen feindlichen Soldaten verliebt und ihm versprochen, dass sie ihn zum zweisamen Stelldichein in die Burg lässt… Wie das aber nunmal meistens so ist, hatte der werte Herr aber hier seine Chance gewittert und stand zur rechten Zeit nicht alleine vor dem Burgtor. Die Magd hat den Hinterhalt erst bemerkt, als es zu spät und die Burg gestürmt war. Man hat den Angriff zwar in letzter Sekunde zuerschlagen können, überlegte aber, wer dafür verantwortlich war. Hier kam also die Affaire der Magd mit dem feindlichen Soldaten ans Licht und man entschied, die Magd lebendig in die Burgwand einzumauern. Da sie aber ein reines Herz hatte, wuchs plötzlich aus den Burgmauern eine Eberesche.
Die Eberesche an der ungewöhnlichen Stelle im ungefähr 4. Stock der Burgmauer gab es wirklich. Allerdings weiß man nicht, wieso / weshalb / warum sie dort gewachsen ist. Einen Nachweis über eine eingemauerte Magd gibt es jedenfalls nicht und es ist auch nicht wirklich geklärt, ob diese Geschichte überhaupt wahr ist. Vielleicht sollte sie einfach nur die Eberesche an diesem ungewöhnlichen Ort erklären.

Nach der Führung machte ich mich auf nach Riihisaari, um dort den zweiten Teil meiner Zeitreise anzutreten. In Riihisaari erfährt man quasi alles zur Entstehung des Saimaa-See-Gebietes, zum Leben der Bewohner in der Region (egal, ob Mensch oder Tierwelt) und die Errungenschaften, die zum wirtschaftlichen Aufschwung geführt haben. Selbstverständlich wird auch der bekannteste Bewohner des Saimaa-Gebietes sehr genau unter die Lupe genommen: die Saimaa Ringelrobbe. Sie zählt zu den geschützten (und auch bedrohtesten) Tierarten und lebt ausschließlich im Saimaa-See-Gebiet – es gibt nur noch ungefähr 400 von ihnen. Sie unterscheidet sich deutlich von den anderen Robbenarten, da sie sich tatsächlich völlig unabhängig von den anderen weiterentwickelt hat. Immerhin lebt sie im Binnengewässer, seit sie aufgrund der Erderhebung nach der letzten Eiszeit von der Ostsee abgeschnitten wurde (ursprünglich war es die Eismeerrobbe, die in der Ostsee lebte). Die Saimaa-Ringelrobbe ist eine von nur zwei existierenden Süßwasserrobbenarten – die andere ist die Ladoga-Ringelrobbe (diese lebt im Ladoga-See auf der russischen Landseite).
Ein weiterer großer Punkt im Museum behandelt die finnischen Dampfschiffe, die Ende des 19. Jahrhunderts ziemlich erfolgreich und populär wurden. Diese waren für den Personen- und Güterverkehr im Saimaa-Gebiet von enormer Wichtigkeit. Als Highlight können sogar noch 3 Dampfschiffe am Anleger besichtigt werden: das Passagierschiff Savonlinna, der letzte echte Holzrumpf-Teerdampfer der Welt Mikko, und der Dampfschoner Salama. Der Dampfschoner Salma wurde erst in den 1970er Jahren geborgen und restauriert, nachdem er – obwohl er über 120 Jahre am Grund des Sees lag – in einem ziemlich guten Zustand war. Auch Teile der gelagerten Fracht waren in einem super Zustand und gingen, mit dem Dampfer, 1985 an das Museum.
Leider kann man auf die Museumsschiffe nur während der Hauptsaison im Juli/September betreten und besichtigen. Ich hatte konnte sie also nur vom Ufer aus betrachten.
Die Ausstellung im Museum ist interaktiv – es gibt Schautafeln auf Finnisch, Deutsch, Schwedisch und Russisch zum Lesen, einige Filme mit englischem Untertitel und Dinge zum Bewegen. Das gefällt mir an Museen immer am Besten, wenn man nicht nur durchläuft, sondern auch aktiv weitere Informationen bekommen kann.
Im Untergeschoss ist derzeit auch eine private Puppensammlung zu sehen. Die Gemäldeausstellung war leider noch „im Bau“ und auch der linke Flügel im Obergeschoss wurde gerade um neu gestaltet. Dennoch habe ich wirklich für den mir zur Verfügung stehenden Teil die 2 Stunden gebraucht, die mir bis zur Schließung übrig blieben – und es war auf keinen Fall langweilig!

Im Anschluss führte mich meine Erkundungstour natürlich am Ufer entlang Richtung Zentrum – sofern man das in Savonlinna so bezeichnen kann, immerhin liegt die Stadt auf mehreren „Inselchen“ verteilt. Anleger gibt es ja praktisch auf der Seite von Riihisari am ganzen Ufer entlang, sowie einen Badestrand und einen richtig tollen Spielplatz. Von hier aus konnte man den Turm der Savonlinna Tuomiokirkko (Dom Savonlinna) sehen und auch den Campus der South-Eastern University of Finland of Applied Sciences sowie einige wunderschöne Gebäude vom Kunsthandwerkzentrum, der Kunstschule und anderen.
Natürlich zog es mich genau in diese Richtung und zum Dom. Im Park hinter dem Dom selbst hat man ein ziemlich cooles Vogelhäuschen angebracht: den Dom im Mini-Format – obwohl er auch im Mini-Format eine stattliche Größe vorweisen kann.
Aber damit war mein Dom-Besuch auch schon wieder beendet – man ahnt es: geschlossen.
Also überlegte ich, was ich jetzt noch tun könnte. Da ich einige Minuten vorher noch mitbekommen habe, dass es in Savonlinna eine Brauerei gibt, wollte ich diese ansteuern. Zeitlich und aus Praktikabilitätsgründen entschied ich mich, zurück zum Auto zu gehen und mit dem Auto zur Brauerei zu fahren. Diese lag so oder so auf meinem Weg, wenn ich mich im Anschluss auf den Rückweg begeben würde.
Am Auto angelangt stellte ich noch fest, dass die Brauerei selbst bereits geschlossen hatte – wegen dem Ende der Touristensaison. Der Shop hatte aber auf, also steuerte ich diesen direkt an. Und was soll ich sagen… als ich dort war, war auch dieser geschlossen. Allerdings weiß ich nicht, warum. Tja. Mit dieser Erkenntnis fuhr ich zurück nach Rantasalmi.

Den restlichen Abend verbrachte ich wieder mit Brotzeit, Whirlpool und Sauna… zumindest bis zu dem Zeitpunkt, als ich dachte, ich würde – entgegen der App-Berichte – die Nordlichter sehen, wie sie anfingen zu tanzen. Also zog ich mich so schnell ich konnte an, schnappte meine Kamerausrüstung und lief zum Auto, um auf einen Parkplatz am See auf der anderen Seite des Berges zu fahren. Dort gab es keine störenden Lichter und die Sicht war offener.
Dort angekommen brachte ich auch alles in Stellung – und verfluchte wieder, dass ich es nicht schaffte, meine Spiegelreflexkamera zum Auslösen zu bewegen. Auch verfluchte ich mein Handy, dass es nur so schwammig-verwaschene Bilder machte – aber zumindest fing es das zarte Leuchten der grünen Revontulet ein. Die meiste Zeit machte ich dann aber das, was man auch tun sollte, wenn man das Glück hat, Revontulet zu Gesicht zu bekommen: zuschauen, staunen und genießen.

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