Freiraumbefreiung

Eigentlich wollte ich ja endlich meine Erlebnisse meiner Botswana-Reise und meiner Motorradtour nach Italien fertig schreiben bzw. verfassen.
Allerdings bin ich gerade damit beschäftigt, meinen Kleiderschrank umzuräumen und auch wieder etwas auszuräumen. Dabei ist mir zwischen dem ganzen hin- und hergeschiebe meiner Klamotten und Dinge, die ich sonst noch im Schrank verstaut habe, etwas Neues aufgefallen.
Die Erkenntnis, dass man als Mensch irgendwie die komische Idee verfolgt viele Dinge zu horten um sagen zu können „Ich habe etwas erreicht, ich habe Besitztum“, ist mir nicht mehr neu. Dies ist mir bereits vor Jahren aufgefallen, als es mir psychisch und auch ein Stück weit physisch so schlecht ging, dass ich mich selbst als Monster gefühlt habe und auch meiner Umwelt ganz gehörig auf den Keks gegangen bin. Damals habe ich kurzerhand die Reißleine gezogen, bin zu einem meiner besten Freunde „geflüchtet“ und habe versucht, mein Selbst wiederzufinden, zu sortieren und wieder in die richtige Ordnung zu bringen. Die Überwindung, Dinge, die mich seelisch belasten loszulassen, war wirklich schmerzhaft – so ungefähr, wie wenn man sich grad fürchterlich irgendwo angeschlagen und aufgerissen hat. Zuerst möchte man schreien und vor Wut und Schmerz toben, bis man dann plötzlich realisiert, dass das Schlimmste überstanden ist und die Heilung eintritt. Und Heilung fühlt sich insgesamt schon gut an – selbst, wenn es manches lästige Kribbeln gibt, dass einen dazu verleiten will, nochmal dran zu zupfen und nachzuschauen, wie weit es denn jetzt schon ist. Dabei sollte man lediglich aufpassen, dass kein neuer Schmutz in die Wunde dringt. Und wer es nicht glauben mag, dazu gehören auch materielle Dinge – nicht nur falsche Freunde oder der Gedanke, sich an Beziehungen klammern zu müssen, die nur noch einseitig sind und eigentlich längst im Sand verlaufen. Wer mit sich selbst und seinem Leben hadert, sollte einfach mal anfangen seinen ganzen Kladderadatsch Zuhause auf Herz und Nieren zu prüfen, ob da nicht doch Dinge herlumliegen, die einem einfach den Freiraum rauben. Diese Dinge schiebt man meistens nur von links nach rechts, von der Wohnung in den Keller, vom Keller in den Dachboden… Und irgendwie hat man dann doch so in etwa das Gefühl zu ersticken, ohne eigentlich genau zu wissen, warum. Weil man ja eigentlich alles hat, was man braucht – dass hier aber auch ein zuviel dahinterstecken kann, um das man sich ständig einen Kopf macht, darauf kommt man in der Regel erstmal nicht. Frühestens dann, wenn man sich zum zweihunderachtundneunzigsten Mal den Fuß an der verdammten Bodenvase gestoßen hat, von der man genau wusste, dass sie dort eigentlich immer im Weg steht und auch woanders keinen Platz hat.
Was mir allerdings neu ist: Man entdeckt – trotz Jahren der sorgsamen Pflege, dass auch ja kein neuer Schmutz die Heilung beeinträchtigen könnte -, dass doch noch immer mal wieder Dinge zum Vorschein kommen, die man sogar trotz des vollem Bewusstseins des Unsinnigen und Unbrauchbaren angeschafft hatte, nur um sie zu besitzen! Warum macht man sowas?
Es ist nicht so, dass ich diese materiellen Dinge inzwischen nicht mehr loslassen könnte. Aber allein die Erkenntnis, dass ich – in meinem aktuellen Fall Kleidungsstücke – angeschafft habe, obwohl ich exakt zu diesem Zeitpunkt schon wusste, dass ich sie NIEMALS tragen würde und diese direkt und ohne Umwege im Kleiderschrank verschwinden.

DAS ist mir tatsächlich neu. Und – mit Verlaub – völlig idiotisch!

Mit diesem neuen Wissen werde ich mir jetzt einen der großen Kartons holen und die Sachen, die mir den Raum nehmen, erstmal verbannen – bis zum nächsten Flohmarkt, einer Weitergabe oder der nächsten Kleidersammlung. Was auch immer nun zuerst kommt – und mir selbst wieder mehr Freiraum schaffen.

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